T wie Terror
Kurz nach Mitternacht, ich liege auf der Matratze und kann nicht schlafen. Bin allein in meiner Dachgeschoßwohnung und lache schon längst über den Gedanken, daß sich das je ändert.
Im Radio brüllt irgendwer »Wahnsinn, Wahnsinn!«, es folgt Musik, David Hasselhoff mit »I’ve been looking for freedom«. Wer braucht so einen Scheiß in einer Nacht wie dieser?
Ich kurble zu einem anderen Sender, erneut wildes Geschrei, dann ein Interview, ein schluchzender Mann: »Daß ich das noch erlebe«. Gehupe, Jubel, Durcheinander. Dutzende Hände, die auf Autodächer trommeln wie Wilde bei der Beschwörung von King Kong. Ich kann nur ahnen, was da vor sich geht. Ein Schluck aus der Fanta-Flasche, pissen, der nächste Sender, Rauschen, Tirpen, Piepen: Muß Nachrichten aus Berlin hören, muß, muß, muß! Geschichte wird gemacht!
So verbrachte ich die Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 vor dem Radio, an Schlaf war nicht zu denken.
Wenige Stunden zuvor hatte mein Schwarzweiß-Fernseher flackernd vor der Auflösung der DDR kapituliert. Er wollte mir auf keinen Fall zeigen, was über die Sender ging. Dabei hatte ich die Kiste erst vor ein paar Wochen irgendwo abgestaubt, nachdem schon mein voriges Gerät nach kurzer Zeit verreckt war.
Sie starben alle kurz und schmerzlos.
Wir konnten eben nicht miteinander.
Nun aber ging der Osten unter,
und ich saß da mit zwei kaputten Glotzen, nachdem ich sieben Jahre ohne Fernseher gelebt hatte.
Am nächsten Tag ging ich zu TV-Werner und kaufte was Offizielles für 150 Mark. Einen gebrauchten Nordmende mit Farbe und Garantie. Die beiden abgerauchten Dinger stellte ich hochkant übereinander, den Nordmende obendrauf, natürlich waagerecht.
Sah aus wie ein T.
Ich betrachtete mein Werk und war zufrieden. Der Untergang fand nun auch in meiner Bude statt. Die Mauer war weg, mein Schutz vorm Wahnsinn da draußen ebenso. Ein Knopfdruck und eine auf SIEG polierte Visage erschien auf der Mattscheibe.
Ich hatte dem Monster die Tür geöffnet, es sollte nie wieder gehen. Und es besaß einen Namen: T wie Terror!