
Keine Sterne über Kreuzberg
Die Nacht, wo ich das erste Mal aufm Kotti rumstand, hat mich fast umgeblasen. War Winter ’81, das Pflaster nicht nur hart vom Frost, die City pulsierte wie’n krankes Herz. Meine Treter waren zu dünn für die Kälte, un meine Lederjacke hat kaum was genützt gegen den Wind, der an mir leckte wie’n perverser Onkel.
Halt durch, bloß halt durch, hab ich mir gedacht, während meine Zehen langsam abstarben und mein Magen sich selbst verdaute. Irgendwann kam dieser Punk angeschlurft, mit grünem Haarhelm und Gesicht voller rostiger Metallteile. »Neue hier, wa?«, hat er gefragt und mir ne Kippe angeboten. Ich weiß noch, wie ich dachte: Scheißvadammta Milchbubi mit seiner Spielzeugrebellion und den sauberen Fingernägeln!
Aber die Kippe hab ich trotzdem genommen, kiek ens, weil kalt und hungrich nischt zusammenpassn, wenn de überleben wills. Die Glut hat meine Finger gewärmt, für fünf verfickte Sekunden jedenfalls. Der Grünschopf, der sich »Ratte« nannte – wat für’n blöda Name, als ob wa nich alle Ratten im Dreck warn – hat mich mit zu diesem besetzten Haus genommen, nannte sich “Kosmos” oder so’n Schmarrn.
Drinnen war’s warm. Warm und dreckig und laut und voll und stinkig. Wumm-bumm-zisch-krach! Musik hämmerte ausm Keller, der Bass vibrierte durch die morschen Bodendielen, als wäre ’ne U-Bahn direkt unterm Haus. Überall wuselten Punks, Hippie-Reste, kaputte Typen mit irjen Botschaft auf die T-Shirts, Weiber mit zerrissenen Netzstrümpfen, die mehr Löcher als Netz hatten, Kerle, deren Gesichta aussahen, als hätt ein Masochist sie mit Sicherheitsnadeln traktiert.
»Kaffee? Tee? Bier? Schnaps? Pillen?«, fragte Ratte und grinste mit seine schiefen Zähne. Ich hab auf alles ja gesagt. Hauptsach wat zu fressen und saufen und irgendwat, wat den Kopp zudröhnt, aba hallo!
Im Hinterzimmer wars noch heißer, stickiger, der Schweiß perlte von den Wänden, als würden die selbst fiebern wie kranke Hunde. Aufm schäbigen Sofa hoggten drei halbnackte Gestalten und schienen sich zu balgen oder zu poppen, war kaum zu unterscheidn bei dem Mischmasch aus Gliedmaßen, der da rumtorkelte wie ’n Krake uff Crack. An die Wand geschmiert stand in große Buchstaben: »NO FUTURE« und darunter »FICKT EUCH ALLE«. Sehr orijenell, Döskopp, dachte ick.
Plötzlich knallte die Tür auf, und rin kam son Riesenlümmel, mindestens zwei Meter, kahl geschorener Schädel mit einzelnen pinken Haarsträhnen drauf, als hätt sein Kopp die Chemo noch nich ganz verkraftet. »Bullenschweine!«, brüllte er, und auf einen Schlag war alles in Bewegung.
Ratte hat mir an Kragen gepackt und durch irgendeinen Flur geschleift, durch kaputte Tür, übern schlammigen Innenhof, wo sich schon überall die wirren Hühner zum fluchtartjen Abgang sammelten. »Halt die fresse und warte nich auf deine Mama, Neue!«, schnauzte er mich an, als ick Anzeichen machte, stehenzubleiben. Als ob ick ne Mudda hätt, die nach mir sucht, scheißvadammich noch eins.
Die Bullen kamen von allen Seiten, mit Knüppeln und Schilden. Eine fiese Meute mit blassen Gesichtern, die rot anliefen, als wollten sie platzen vor Freude, uns endlich ma richtig zu verdreschen. So wie ick das alles mitgekriegt hab, ging’s wohl um irgendwelche Razzias wegen geklauter Kupferkabel aus’n U-Bahn-Schächten oder so. Jedenfalls krachten die Schilde gegen die Tore, und irgendwer neben mir – so’n Spinner mit Iro und ner Bomberjacke volla SS-Runen, die er mit rotem Filzer durchjestrichn hatte – warf ne Flasche, die am Visier von son Robocop zerschellte.
»JUCHHEEEE! BA-BA-BAAAAAM!« Auf einen Schlag war alles in Bewegung, Knochen krachten, Schreie flogen durch die Luft wie flüssigen Stahl, und der Geruch – der vadammte Gestank! – von Angstschweiß und Blut und Wut zog mir die Luft aus der Lunge.
Ick bin gerannt wie’n Hase, wat sollt ich auch sonst machen? War ja schließlich nich meine Bude oder mein Kupferkabel. Durch nen Kellereingang bin ick geflüchtet, ne Treppe rauf, an irgendeinen Hinterhof raus, bin irgendwie auf Mülltonnen geklettert, über ne Mauer, quer durch’n verlassenen Laden und rausgerannt auf ne Seitenstraße.
Die Winternacht war plötzlich ruhig, viel zu ruhig. Als hätte jemand den Ton abgedreht. Sogar der Frost schien weniger zu beißen. Mir war so warm, als hätt ick drei Pulli an, dank der Panik und der blinden Flucht.
Da stand er plötzlich. Mitten auffer Straße, übern Meter neunzig groß, im schwarzen Ledermantel wie son scheißvadammta SS-Offizier, nur mit diese ganz moderne Sonnenbrille – nachts, ja, nachts, der krumme Vogel! – und mit so nem Gesicht… wie sagt man… aristomadisch? Naja, wie son Adeligen-Gesicht halt.
»Gefährliche Gegend für ein so zartes Pflänzchen wie dich, meinst du nich?« Seine Stimme war tief und weich wie schwarzer Samt. »Ich bin Konrad.«
»Nelli«, hab ich geantwortet, obwohl ick eigentlich nich wollte. War, als hätt der Kerl irgendnen Zauber über mich gelegt, dat meine Kehle ihm gehorchte statt meinem Hirnkasten.
»Du siehst aus, als könntest du einen Drink gebrauchen, Nelli.« Er hat meinen Namen ausgesprochen, als wäre es was Kostbares, was man auf der Zunge zergehen lassen muß. »Und etwas zu essen. Und ein warmes Bad. Und ein Bett.«
Ein Bett, hä? Mein innerer Alarm schrillte wie verrückt. Ick hatt genug solche Angebote gehört in meinem kaputten Lehm, dat jibet doch nich! Aber scheiße war ich müde. Und schwach. Und hungrig. Und die Schuh hatten blutje Blasen an meine Fersen gerieben, und der Magen knurrte, als wär ein tollwütiga Pitbull drin eingesperrt.
»Und wat willste dafür, hä?«, hab ich gefragt, so hart ich konnte, aber ich hörte selbst, wie die Stimme zitterte. Shit, ich war einfach so scheißmüde von allem.
»Gesellschaft«, sagte er, aber sein Lächeln war so falsch wie’n Drei-Euro-Schein. »Ich bin … Sammler. Von Geschichten. Von besonderen Menschen.«
Wir sind dann zu seiner Villa gefahren. Im echten schwarzen Mercedes. Man glaubt ja nich, wat für Bonzen damals schon in Kreuzberg unterwegs waren – die Startschüsse von diese Jentrifikation oder wie et heißt. Heut isses da voller Hipster und Schwaben und sonstijen Weichfleisch-Intellektuellen mit ihre Latte-Wieviel-Euro und die ganze Scheiße. Nüch mehr meine Gegend, aber damals … damals war Kreuzberg noch richtig Arsch der Welt. Die einzijen Reichen warn Dealer und komische Perverslinge wie dieser Konrad.
Während wa so fuhren, hab ick mein Kampfmesser tiefer ins Hosenbein geschoben. Kiek ens, so blöd is die Nelli auch wieder nich. Von wegen wehrlose Göre! Hab schon als Pimpf in Recklinghausen gelernt, daß kein feiner Pinkel dir was Gudes will, wenn a dich mitnimmt.
Seine Villa war ganz oben am Viktoriapark. Alter Schwede! Ein gottvadammichtes Schloß mitten im Dreck. Als die schmiedeeiserne Tür aufglitt, sah ich innen Marmor und Kristalleuchter und Bilder an den Wänden, die sicher mehr Talerchen wert warn als ick in meinem ganzen bisherigen Leben gesehn hatte.
»Bitte«, sagte er und deutete auf ein Badezimmer, so groß wie mancher Konzertsaal, mit ner Wanne, in die man ein Kleinwagen hätt stellen können. »Mach dich frisch. Kleider findest du dort.« Er zeigte auf einen Schrank. »Wenn du fertig bist, kommst du nach unten zum Essen.«
Dit war so offensichtlich ’ne Falle wie’n Käse im Mäusefänger. Hab trotzdem mitgespielt – aber anstatt mich auszuziehen, hab ich jedes verschissene Eckchen vom Badezimmer durchsucht. Wumm-zack-ticktack, Nelli auf Entdeckungstour! In ’nem Wandschrank fand ick tatsächlich wat – Handschellen, Seile, Peitschen, lauta Folterwerkzeug für kromme Sexspiele. Und a Flasche Chloroform mit ’nem Tuch dabei. Nu sieh ma an, der Scheißkerl wollt mich betäuben!
Hab dann die Wanne eingelassen, ordentlich Schaum drauf, meine Klamotten daneben drapiert, als würd ich plantschen. Das Chloroform hab ick in meine Lederjacke versteckt, mein Messer fest umklammert. Dann bin ick runtergeschlichen, barfuß und leise wia Katze, um zu kucken, wat der verdammte Döskopp so treibt.
Als ick aus dem Gang spähen tat, sah ich Konrad an einem langen Tisch sitzen, voller Essen wie bei Königs. Hinter ihm, aan der Wand, standen fünf oder sechs Punks wie Schaufensterpuppen – bleich, leer und bewegungslos. Mit toten Fischoogen, als wärn sie ausgenommn und wieder zugenäht worden. Heilige Eiterscheiße!
»Für dich hab ich etwas Besonderes vorbereitet«, säuselte Konrad zu sich selbst und streichelte so’n kristallenes Ding, fast wie’n Messer, aber durchsichtig und mit Symbolen bedeckt. »Frische, unverbrauchte Lebensenergie … so voller Wut und Hass und Hunger – ideale Nahrung für mich.«
Er leckte sich die Lippen und schnippte mit den Fingern. Die Punks ruckten und zuckten, einer torkelte zur Küchentür, um mich zu holen – als hätte er mich gehört oder gerochen, verdammt!
Reiß dich zusammen, Nelli! Ick hab mich hinder ne Statue geduckt und das Messer gezückt. Kein richtjer Plan, nur: Aufs Maul, bis der Wichsa blutet. Die tüddelichen Zombiepunks waren keine Gefahr, aber der Scheißkerl Konrad mit seiner Kristallklinge, der hatte Krafte, die nich von diese Welt warn, dat jibet doch nich!
Als der Zombie-Punk in den Flur gewankt kam, bin ick blitzschnell vorgeprescht. Hab ihm das Chloroformtuch übers Maul gedrückt, bis er zusammensackte wie ’n nasser Sack. Zack-bumm-pfff – ein Döskopp weniger!
Hab mir sein Nietenarmband abgerissen un uffgezogn und mein Messer reingesteckt, so als Überraschung für später. Dann bin ick in den Saal geschlichen, wo Konrad saß und wartete, sich selbst zuhörend wie der scheiß-snobbische Klugscheißer, der er war.
»Wo bleibt sie denn …« murmelte der Bonze und drehte sich zu der Tür, durch die ich eigentlich kommen sollte.
Ick bin stattdessen von hinten gekommen. Nücht von ungefähr hieß ich bei den Straßenköteln »Nelli die Leise«. Hab mich rangeschlichen wie’n Schatten und bin dann mit voller Wucht auf ihn draufgesprungen. WUMM-BAMM-DA-DA!
»ÜBERRASCHUNG, DU GOTTVADAMMICHTE PISSFRESSE!«, hab ich gebrüllt und ihm mei’ Messer in die Schulter gerammt. Blut spritzte wie ’ne Fontäne, aber es war nüch rot – es war schwarz wie Öl und stank wie verbranntes Metall.
Konrad brüllte – ein Ton, der Glas zerspringen ließ und mein Hirn fast zum Kochen brachte. »KLEINE RATTE!«, kreischte er, seine Augen wurden komplett schwarz wie Tintentümpel. »WEISST DU NICHT, WER ICH BIN?«
»’N TOTER MANN, WENN ICH FEDDICH BIN!«, schrie ich zurück, riß das Messer raus und stach wieder zu, diesmal in sein Hals.
Bei ’nem normal Sterblichen würde dat schon reichen, aber dieser Drecksack packte mich mit übermenschlicher Kraft und schleuderte mich quer durch’n Raum. Bin gegen die Wand geknallt wie ne Puppe, und alles tat weh.
Die Zombiepunks erwachten irgendwie und schlurften auf mich zu wie in so ’nem billijen Horrorstreifen. Scheißdreck noch eins! War eingekesselt zwischen denen und dem blutenden Vampir-Bonzen, der jetzt auf mich zuschritt, dit Kristalldingsbums in der Hand.
»Jetzt wirst du bezahlen, kleine Kröte«, zischte er, und seine Stimme kroch in mein Ohr wie’n giftiger Wurm. »Ich werde deine Seele so langsam aussaugen, daß du jeden einzelnen Moment spürst.«
Hab mich umgeblickt – nix zu holen außer … ja, diese komische Öllampe an der Wand! Hab sie runtergerissen und dem nächsten Zombiepunk übers Hirn gezogen. Öl spritzte überall hin, suppte auch Konrad und sein feines Seidenkostüm voll.
»Tja, Arschgeige, woll«, hab ich gekeucht und mein Feuerzeug rausgezogen. »Schonma wat von Punk-Barbecue gehört?«
WUSCH! Das Feuerzeug machte nur ein kleines Geräusch, aber die Flamme, die hochschoß, als das Öl Feuer fing, war höllisch. Konrad stand plötzlich in Flammen wie’n menschliche Fackel, und er schrie, als würde er tausend Tode sterben. Rannte rum, wälzte sich uffm Bode un verbreitete dat Foia inne ganze Bude.
Die Zombiepunks wankten zurück, als hätten sie plötzlich Angst – das erste menschliche Gefühl, dat ick an ihnen sah.
»WEGLAUFEN!«, hab ich gebrüllt und bin durch ne Flammenwand gesprungen, hab mir dabei die Augenbrauen versengt und meine Arme verbrannt, aber wat solls. Hauptsache weg von diesem Höllenscheißdreck!
Bin durch die brennende Villa gerannt wie ’ne Irre, hab mir den Weg freigekämpft, als zwei von den Zombie-Punks mir im Flur den Weg verstelln wollten. Der eine hat mein Nietenarmband mit Messer drin ins Gesicht bekommen, der andere ’nen Tritt in die Eier.
Die Villa brannte wie Zunder, Rauch überall, Hitze wie inne Hölle. Imma wieda dachte ick, Konrad würde aus den Flammen steigen und mich packen, aber nüscht war. Vielleicht hatte der Feuertod ihm den Garaus gemacht, oder er lag wenigstens für ’ne Weile brach, der Menschensammler im teuren Anzug.
Als ick draußen war, bin ick gelaufen, gelaufen, gelaufen. Barfuß durch die Straßen, die Haut vom Feuer angebruzzelt, Lunge voller Rauch, aber lebendig, so scheißlebendig wie niemand sonst!
Irgendwann bin ich vor Erschöpfung zusammengebrochen, in irgendeiner Seitengasse. Dann kamen Schatten auf mich zu, und ick dachte: Gottvadammt, jetz ham mich die Bullen! Aba es waren Ratte und dieser Riese, der Mammut hieß, mit ’ner Handvoll anderer Punks.
»Heilige Kacke«, sagte Ratte und hockte sich neben mich. »Du läufst ja barfuß, Neue. Und warum riechst du nach Rauch und … ist das Blut?«
Ick konnte kaum sprechen vor Erschöpfung, aber hab’s trotzdem rausgebracht: »Hab … dem feinen Pinkel … gezeigt … wie Punks mit Bonzen … umgehn …«
»Wovon redest du?«, fragte der Riese.
»Konrad … der Sammler … Villa brennt …«, keuchte ick.
Die Punks tauschten ungläubige Blicke. In der Ferne heulten Sirenen, und am Himmel über’m Viktoriapark leuchtete ein orangener Schein.
»Du … du hast … KONRADS VILLA ABGEFACKELT?«, stammelte Ratte, und seine Augen wurden groß wie Suppenteller.
»Hat mirn bisschen in … die Suppe … gespuckt …«, grinste ich schwach. »Aber ich hab … zurückgespuckt … mit Feuer.«
Sie haben mich hochgehoben und ins »Kosmos« zurückgetragen wie ’ne verdammte Kriegsheldin. Später, als ick wieder sprechen konnte, hab ick alles erzählt – die Vampirfresse mit seine toten Augen, die Zombiepunks, die Kristallklinge, das schwatte Blut.
»Seit Jahren treibt der Sammler hier sein Unwesen«, sagte Ratte, als ick fertig war. Seine Augen glänzten irjendwie fiebrig, da war wat im Busch beim ihm. »Fängt Punks ein, saugt sie leer, wirft sie weg. Die Bullen tun nix, weil … nun, einige von ihnen sind seine Kumpels. Keiner hat sich je getraut, ihm die Stirn zu bieten.«
»Na, jetz hatta einen kennengelernt, der zubeißt, wenna gebissen wird«, hab ick gesagt und mir meine angebrannten Arme verarzten lassen. Hab bemerkt, wie Rattes Finger länger als nötig auf meiner Haut verweilten. Na, hielt sich allet noch in Grenzen, Salbe un Spucke druff un jut.
Später, als ick in nem Schlafsack auf dem Boden des besetzten Hauses lag, kam Ratte zu mir und setzte sich. Mein Puls ging immer noch rasend, die ganze Aufregung, der Kampf, die Flammen – Ba-ba-bamm! – das alles zuckte durch mein Leib wie Stromschläge. Draußen plästerte es jetzt, als wollt der Himmel die Brände löschen.
»Du bist jetzt eine von uns«, sagte er und beugte sich näher. Sein Gesicht im Halbdunkel wirkte gar nicht mehr so schäbig, sondern fast wie vonnem echten Menschen, nich nur ‘nes Straßenköters. »Es gibt da draußen Dinge, die schlimmer sind als Bullen und Nazis und Junkies auf Entzug. Da draußen lauert was, was uns alle fressen will. Und weißt du was? Wir lassen uns nicht fressen, klar?«
»Klar«, hab ich gesagt, und eigenartigerweise fühlte ich mich zum ersten Mal, seit ich von zuhause abgehauen war, geborgen. Nich etwa weil ich dachte, ich wär sicher – dat sicher nit – aber weil ick nicht mehr allein war im Kampf gegen all den Schiet, der da draußen lauerte.
Mein Körper zitterte noch immer, aber nich mehr von Kälte oder Angst. Es war, als hätte das Adrenalin, die Todesgefahrnähe, die Flammen, irgendwat in mir freigesetzt, wat lange eingesperrt gewesen war. Ick merkte, wie Ratte mich ansah, wie Hunger in seinen Augen flackerte, aber anders als bei dem Bonzen-Vampir war’s kein Hunger, der mich kaputtfressen wollte.
Wenn man dem Tod von der Schippe springt …«, murmelte er, während seine Finger über meinen Arm strichen, wo die Salbe glänzte.
»...kriegt man Hunger aufs Leben«, beendete ick seinen Satz und zog ihn zu mir runter.
Über Kreuzberg schien keine Sterne in dieser Nacht. Nur der Feuerschein von Konrads brennender Villa und das rote Blitzen vonne Polizeisirenen. Aber für mich war’s hell genug. Hell genug, um zu sehen, daß ich irgendwie … zuhause war. In diesem Drecksloch voller kaputter Gestalten und Wahnsinniger und Punks mit mehr Mut als Verstand.
Außerdem, wer braucht schon Sterne, wenn man selba Feuer legen kann? Feuer, dat einen nach dem Kampf wärmt und hungrig macht aufe Dinge, wo einem dat Blut in andere Körperteile pumpt als nur in die Fäuste. Und wenn nem einem jemand Leckeret liecht. Na, ich krichte halt Apettit nach all dem Driss, un Ratte hatte ooch Bock.
Ba-ba-bamm! Dat jibet doch nich, wa?
