Ein kleiner Schritt für die Menschheit
Die goldenen Zeiten der Kindheit, die doch eigentlich eher wie ein billiger Schwarzweiß-Film über die Mattscheibe der Erinnerung flimmern, sind oft genauso wie alte Comics: verknickt, vergilbt und doch irgendwie bezaubernd. Die Tatsache, daß ich in den 70ern über Perry - Unser Mann im All gestolpert bin, hat meinen Werdegang zum eingefleischten Nerd unumkehrbar Richtung Trash und Schund gelenkt. Denn während andere Kids Fußball spielten oder sich mit Mädchen beschäftigten, hatte ich nur Augen für Raumschiffe, Roboter und die Helden eines nun vergangenen Comiczeitalters.
Reden wir über den Beginn meiner Nerd-Karriere und die ersten Ausflüge in den Weltraum. Man schrieb das Jahr 1970, Ihr wißt schon, Vietnam, Hippies, Drogen und der ganze Mist – aber was wußte ich schon davon? Ich war nur ein dummer Junge, der in seinen eigenen Träumen lebte. Zehn Jahre alt, und die Welt, in der ich lebte, schien mit mir nicht viel anfangen zu können.
Immerhin, es gab diesen Kiosk, der so etwas wie mein persönlicher Tempel war und wo mich eines Tages ein Comic-Titelbild anglotzte, das alles änderte. Es war Nummer 48 von Perry - Unser Mann im All, mit dem unvergesslichen Titel „Die Statistiker des Universums“. Klingt nach einem schnarchigen Bürokraten-Horrorfilm, aber für mich war es ein Tor zu den Sternen. Irgendwie machte mich das Heft zu einem Junkie – einem Junkie für alles, was auch nur im entferntesten mit Perry Rhodan zu tun hatte. Romane, ältere Perry-Comics (für eine bekam ich von meiner Mutter eine Ohrfeige verpaßt!) – und eines Tages entdeckte ich auf dem Grabbeltisch eines Kaufhauses ein Dutzend Ausgaben von Perry Rhodan im Bild. Noch eine Perry-Rhodan-Comic-Serie? Nein, das war der Vorgänger von Perry, die hatten die Reihe einfach vor einiger Zeit umbenannt, weil sie einen Neuanfang mit einem schmissigeren Titel brauchten.
Für ein paar Groschen pro Heft habe ich zugeschlagen. Und ich bekenne ohne Reue: Perry Rhodan im Bild war grottenschlecht. Die Figuren standen herum wie in einem Standbild aus einem schlecht gemachten Stummfilm, die Farben waren manchmal so blaß wie die Putzfrau nach der Nachtschicht - und in anderen Heften bonbonmäßig-grell, einfach ein ordentlicher Schwung zuviel aus dem Farbeimer. Und die Dialoge ... na ja, die waren so hölzern, die hätten wahrscheinlich sogar einen Baum erröten lassen. Nackte Frauen wie in Perry gab’s auch nicht, aber das machte nichts. Ich war noch nicht in dem Alter, wo ich mich für so was interessierte. Die Hormone hatten noch nicht die Kontrolle übernommen. Um ehrlich zu sein, haben sie das nie wirklich. Ich blieb immer ein verdammter Nerd, selbst als Punk einige Jahre später.
Natürlich sind die alten Hefte irgendwann verschwunden, wie es mit allem in der Kindheit irgendwann passiert. Die einen landeten im Müll, Opfer eines plötzlichen Putzfimmels meiner Mutter, andere verschwanden auf mysteriöse Weise, wahrscheinlich gegen anderes „wertvolles“ Zeug eingetauscht. Jetzt, Jahrzehnte später, gehören diese Erinnerungsfetzen zu den Dingen, die ich mir für sündhaft viel Geld wieder zurückgeholt habe. Ich bin ein ganz normaler Idiot.
Diesmal bleibt Perry Rhodan im Bild und das ganze andere Zeugs, bis der Sensenmann anklopft und meine Comicsammlung mitsamt meiner klapprigen Hülle in die Kiste wandert.